Förderungsdebatte 2012: Filme bekommen 300 Mio., Videospiele nicht einmal 3 Mio.

„Wir sind keine Oper, aber auf dem gleichen Niveau“

Deutschlands Videospiele-Macher sind sauer: Der deutsche Film bekommt jährlich rund 300 Millionen Euro Förderung. Sie bekommen fast nichts. Nun regt sich Protest

Von Thomas Lindemann

 

Eine ähnliche Fassung dieses Artikels erschien am 17. April 2012 in der WELT. Hier der Link zur dortigen Ausgabe: http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article106189782/Wir-haben-das-gleiche-Niveau-wie-eine-Oper.html 

 

Für die deutschen Filmproduzenten gab es kürzlich gute Nachrichten, persönlich überbracht von Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Der besuchte im Februar ihre Jahrestagung und sagte dort, es sei ihm „ ein großes Anliegen, dass die Erfolgsgeschichte des Deutschen Filmförderfonds uneingeschränkt fortgeschrieben werden kann.“ Damit war klar, dass der Deutsche Filmförderfonds weitergeführt wird. In ihm wurden die Bundessubventionen für Film und Kino vor fünf Jahren neu organisiert und gebündelt, und zwar zunächst bis 2012.

Von Computerspielen war keine Rede, auch nicht in den nachfolgenden Mitteilungen des Kulturstaatsministers. Darüber ärgern sich jetzt einige aus der deutschen Videospielszene – unter dem etwas sperrigen Namen „Novelliert die Medienförderung – Gleichberechtigung für Games“ haben mehrere Produzenten und Unternehmer eine Initiative gegründet, die auch für Spiele mehr Förderung will. Das ist, nur wenige Tage vor den „Deutschen Gamestagen“, dem wichtigsten Branchentreffen der Spieleentwickler, und der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises, durchaus brisant. Denn kein anderer als Bernd Neumann wird in neun Tagen auf einer Berliner Bühne stehen, um diesen Preis zu vergeben – und wird sich dann wohl zu der neuen Debatte um die Spieleförderung äußern müssen.

Nimmt man ernst, dass Videospiele ein Teil der deutschen Kulturproduktion sind, wirkt das Missverhältnis in der Tat eklatant: Etwa 300 Millionen Euro an Fördergeld fließen jährlich in den deutschen Film. Rund 60 Millionen durch den erwähnten Filmförderfonds DFFF, dazu kommen vor allem die Gelder der Länderförderungen. Videspiele dagegen erhalten nicht einmal ein Hunderstel dieser Summe. 300.000 Euro werden nächste Woche beim Deutschen Computerspielpreis vergeben. Daneben gibt es nur noch ein paar Einzelinstitute wie die Mitteldeutsche Medienförderung oder das Medienboard Berlin-Brandenburg. Sie geben hier und da einen deutschen Spieleentwickler mal mit 40.000, mal 80.000 Euro. Die Spieleförderung in Deutschland dürfte insgesamt klar unter zwei Millionen Euro liegen.

Nun ist die Filmförderung, wie jede Kultursubvention, seit jeher umstritten – und es gibt immer schon ein gutes Gegenargument gegen alle Kritiker: Sie „refinanziert“ sich, wie es im Finanzdeutsch heißt, das investierte Geld wird teils wieder zurückgezahlt, stärkt ansonsten eine Industrie, deren Umsatzsteuer an den Staats zurückfließt. Deswegen war die Kritik etwa daran, dass Quentin Tarantinos „Inglorious Basterds“ mit rund sieben Millionen Euro unterstützt wurde, immer schon überflüssig. Die Filmförderung ist mindestens so sehr Wirtschafts- wie Kulturförderung. Genau das will aber nun die Spielebranche für sich geltend machen. Verschiedene Rechnungen vermuten, dass 10.000 bis 18.000 Menschen in der deutschen Spieleindustrie arbeiten, 2 Milliarden Euro wurden 2011 in Deutschland für Spiele ausgegeben. Das kann sich mit der Filmindustrie längst messen.

Die Spielemacher werden nun also selbstbewusster, auch wenn sie sich mit ihrer neuen Forderung vorsichtig geben. Ins Leben gerufen wurde die Initiave von Stephan Reichart, einem innerhalb der Gamesbranche sehr bekannten Mann. Der studierte Geisteswissenschaftler und Unternehmer organisiert die Deutschen Gamestage und war Geschäftsführer des Entwicklerverbandes. Nun aber betont er immer wieder, dass er „nur als Privatperson“ den Aufruf zu einer neuen Medienförderung gestartet habe. Und: „Es geht nicht darum, alles umzuschichten“, sagt Reichart – der sich auch einen besonderen Fan des deutschen Films nennt. „Wir wollen zunächst nur darauf hinweisen, dass die Verteilung ungerecht ist.“ Er könnte sich Modelle wie einen Games-Förderfonds vorstellen, will aber nichts nahelegen, sondern nur eine Debatte starten.

Das scheint schon jetzt gelungen. Die größten rein deutschen Spielehersteller haben sich seinem Aufruf schon angeschlossen. Das liegt auch an Druck aus dem Ausland. In den letzten Tagen wurde bekannt, dass die europäischen Nachbarländer ihre Videospielbranchen stark fördern wollen. Der britische Entwicklerverband TIGA verkündete stolz, dass die Regierung massive Steuererleichterungen für Spielefirmen plane, von mindestens 20 Prozent ist die Rede. Und sogar Italien will seine Games-Industrie so stärken. Ein Gesetzentwurf dazu wurde ausgerechnet aus Berlusconis christlich-konservativer Partei Popola della Libertà eingebracht.

Wenn es einen Deutschen gibt, der daran arbeitet, Videospiele zum Kulturgut zu machen, ist das der Hamburger Carsten Fichtelmann. Seine Firma Daedalic Entertainment gewinnt regelmäßig alle wichtigen Spielepreise, sie macht Abenteuerspiele, die technisch recht konventionell, inhaltich aber ungewöhnlich und oft humorvoll sind. Etwa „Edna bricht aus“, bei dem man einer Comic-Figur aus dem Irrenhaus heraushelfen musste, oder das Öko-Abenteuer „A New Beginning“. Fichtelmann tritt nun auch für einen Wandel bei der Förderung ein. „Es ist unsagbar schwer, als Produzent von Computerspielen für seine Ideen eine Investition zu bekommen“, erklärt er. Seit die klassischen Hersteller von Spielen vorsichtiger werden und der Markt sich zum Online-Download hin verlagert, habe sich das noch verschärft. Und von Bedenken, dass Spiele noch nicht den gleichen Status als Kulturgut haben, den der Film doch zumindest teilweise für sich Anspruch nehmen darf, will er gar nichts wissen: „Wir sind keine Oper, machen aber auf dem gleichen Niveau Kultur.“

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